Ethik oder Religion - Auch gemeinsam eine Chance?

Bezirks-SPD

„Kinder und Jugendliche müssen in der Schule befähigt werden, ihren Mitmenschen respektvoll und tolerant zu begegnen. Dies ist eine große Herausforderung für die Politik im multikulturellen und multiethnischen Berlin“. Hierin waren sich die beiden Kontrahenten Bischof Dr. Wolfgang Huber und Wilfried Seiring, der Direktor des Ausbildungsinstituts für Humanistische Lebenskunde, einig. Sie diskutierten vor rund 300 Gästen auf einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung des Evangelischen Kirchenkreises Reinickendorf und der SPD Reinickendorf am 14. November im Fontane-Haus im Märkischen Viertel. Über die Wege, wie in Berlin, der „multikulturellsten“ Stadt Deutschlands, mit Menschen aus mehr als 180 Nationen und geschätzten 130 verschiedenen Religionsgemeinschaften, diese hohen Ziele im Rahmen der schulischen Bildung zu erreichen sind, gingen jedoch die Vorstellungen auseinander.

Bischof Huber plädierte in seinem Eingangsstatement leidenschaftlich für sein Modell des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion. Die Einführung des „Zwangsfaches“ Ethik im Jahr 2006 für alle Schüler ab Klasse 7 nehme diesen die Freiheit der Wahl. Sein Modell ermögliche die Freiheit der Entscheidung zwischen Ethik und Religion, die Freiheit der Entscheidung für Religion oder von Religion. Gemeinsame Phasen würden den notwendigen Austausch unter den Schülern gewährleisten. Die gegenwärtige Situation für die Schüler in der Sekundar-stufe I in den Klassen 7 bis 10 sei aufgrund der hohen Stundenzahl unerträglich, sie seien überfordert durch die ohnehin schon hohe Unterrichtsverpflichtung, so dass die Abmel-dungen aus dem wahlfreien Religionsunterricht zunähmen. Durch die Einführung des vom Volksbegehren geforderten Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion, bei dem sich die Schüler entweder für Ethik oder für Religion entscheiden müssten, würde sich die Situation für die Schüler entspannen. Nur innerhalb dieses Modells seien auch die Probleme des muslimischen Religionsunterrichts lösbar. Abschließend betonte er, dass Religionsunterricht einen festen Platz haben müsse in der Berliner Schule.

Ebenso engagiert bezog auch Wilfried Seiring Stellung. Er richtete den Blick in die Zukunft der Kinder und Jugendlichen in Berlin. Der soziale Zusammenhalt unter den Menschen aus rund 180 Nationen und mit mehr als 130 verschiedenen Religionen in der Stadt stelle sich nicht automatisch her, sondern die Schüler müssten in der Schule Respekt und Toleranz erlernen, sie müssten lernen, sich auch bei größtmöglichen Differenzen in Auffassungen und Traditionen gegenseitig auszuhalten. Es sei Erziehungsauftrag der Schule, diese Ziele konkret anzugehen. Dazu müssen im gesamten gemeinsamen schulischen Leben die Lehrerinnen und Lehrer in einer demokratischen und akzeptierenden Atmosphäre bei den Jugendlichen die Fähigkeit zu tolerantem, friedlichem Umgang miteinander und zu gewaltfreier Konfliktlösung fördern. Zweite Säule der schulischen Wertevermittlung sei das nunmehr seit 2006 für alle Schüler ab Klasse 7 obligatorisch eingeführte Unterrichtsfach Ethik. Hier eignen sich die Schüler gemeinsam Grundkenntnisse zu Ethik, Philosophie und Lebensgestaltung sowie unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen an, üben miteinander Verstehen und Dialog ein und entdecken Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Dritte Säule schließlich sei der bekenntnisgebundene Religions- und Weltanschauungsunterricht als ergänzende Bildung, der nach wie vor uneingeschränkt freiwillig ist. In der Grundschule findet ausschließlich der bekenntnisgebundene freiwillige Religionsunterricht statt, so dass hier die Schülerinnen und Schüler in die religiösen und weltanschaulichen Traditionen hineinwachsen können, ab Klasse 7 setzt dann mit dem Unterrichtsfach Ethik das vertiefte und vergleichende Reflektieren ein, das in der Grundschule erworbene Fundament werde damit erweitert.

In der anschließenden Diskussion hatten die Diskutanten nochmals Gelegenheit, ihre Standpunkte detailliert darzustellen und zu präzisieren. Die von beiden Veranstaltern, der evangelischen Kirche und der SPD Reinickendorf, gewünschten Gemeinsamkeiten wurden von beiden vor allem in der Möglichkeit der Kooperation zwischen Ethik- und bekenntnis-gebundenem Religions- und Weltanschauungsunterricht gesehen, die je nach den Gegebenheiten vor Ort organisiert werden könne. Abschließend freuten sich sowohl die Reinickendorfer Superintendentin Beate Hornschuh-Böhm als auch der Stellvertretende Reinickendorfer SPD-Vorsitzende Jörg Stroedter über die trotz aller Differenzen sehr sachliche und engagierte Diskussion.

 
 
 

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